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Die Geschichte des Wasserballs

Zum Ursprung des Wasserballspiels gibt es verschiedene Entstehungsgeschichten.

Eine Variante sieht die Wurzeln des Spiels in einem Wettbewerb unter Seeleuten im Londoner Themse-Hafen. Auf Fässern reitend, die mit hölzernen Pferdeköpfen verziert waren, mussten sie möglichst schnell eine gegebene Strecke im Wasser zurücklegen. Später sollen sie auch noch versucht haben, mit einem Stock einen kleinen Ball vor sich herzutreiben. Aus dieser Nachahmung des Pferde-Polo-Sports soll die Bezeichnung “waterpolo” entstanden sein. Unklar bleibt jedoch, wie sich die braven Seeleute noch fortbewegen wollten, wenn eine Hand mit Ballführen beschäftigt war.

Wahrscheinlicher ist die Entstehungsvariante, wonach sich die Sportart Mitte des 19. Jahrhunderts aus einer Art “Rugby im Wasser” entwickelte, das in den Flüssen und Seen Englands gespielt wurde. In den frühen Spielen kam ein luftgefüllter Ball zum Einsatz, der ursprünglich aus den indischen Kolonien stammte und als “pulu” bekannt war (das indische Wort für alle Art Bälle). Von den Engländern wurde es “polo” ausgesprochen und mit “water polo” sowohl der Ball wie auch das Spiel bezeichnet. Gelegentlich dienten verankerte Ruderbote als Tore, in die der Ball abgelegt werden musste.

Im Jahr 1870 legte der Londoner Schwimmverband einige Regeln für Spiele in Hallenbädern fest. Als Einlagespiel sollte Wasserball mehr Zuschauer zu den Schwimmvorführungen locken.

Zunächst erzielten die Spieler einen Treffer, indem sie den Ball am Beckenende mit beiden Händen ablegten (ähnlich dem “touch-down” beim American Football). Ein beliebter Trick bestand darin, den 15 bis 25 cm großen Ball im Schwimmanzug zu verstauen und im trüben Wasser bis nahe ans Ziel zu tauchen. Kamen die Spieler dem Rand jedoch zu nahe, liefen sie Gefahr, vom Torhüter angesprungen zu werden, der sich außerhalb des Beckens aufhalten durfte.

Die Begegnungen waren oft nichts anderen als Gruppenkämpfe im Wasser, bei denen sich die Spieler kaum um den Ball kümmerten und stattdessen Unterwasserringkämpfe bevorzugten. Diese endeten gewöhnlich damit, das ein Spieler bewusstlos zur Wasseroberfläche trieb.

Die Spieler dieser Zeit waren in der Regel keine durchtrainierten Schwimmer mit stark entwickeltem Oberkörper, wie man sie heute kennt. Das Kraulschwimmen war zu dieser Zeit noch unbekannt. Man bewegte sich im Bruststil oder bevorzugt mittels Seitenschwimmen vorwärts (ein Arm wurde über Wasser nach vorne geführt).

John Trugde aus London brachte einen effizienteren Schwimmstil nach Europa, den er einem südamerikanischen Indianerstamm abgeschaut hatte. Der “Trudgeon”-Stil kann als Vorläuferstufe des Kraulschwimmens betrachtet werden. Beide Arme wurden wechselseitig über Wasser nach vorne gebracht und die Beine führten einen Scherenschlag aus. Der Stil war geprägt durch eine heftige Rollbewegung des Oberkörpers und hatte noch nichts von der Bewegungseleganz des heutigen Kraulschwimmens.

Die Einführung des “Trugdeon”-Stils durch schottische Spieler führte zu einem veränderten Charakter des Spiels. Der Schwerpunkt verschob sich mehr auf das Schwimmen, auf die Geschwindigkeit und das Passspiel. Die darauf zugeschnittenen “Schottischen Regeln” veränderten das Wesen des Wasserballspiels von einer Rugby-Variante zu einer fußballähnlichen Spielweise.

Die Tore bestanden aus einen Käfig von 10 x 3 feet (dies entspricht schon weitgehend den heutigen Abmessungen) und ein Treffer konnte nun durch Werfen des Balls erzielt werden. Ein Spieler durfte nur angegriffen werden, wenn er den Ball “hielt” und der Ball durfte nicht mehr unter Wasser genommen werden. Der kleine Gummiball, der wahrscheinlich der Sportart den Namen verlieh, wurde durch einen ledernen Fußball ersetzt. Um ihn wasserfest zu machen, wurde er mit Fett eingerieben.

In den USA wurde das Wasserballspiel 1888 eingeführt. Das Spiel verkörperte noch den alten Rugby-Stil, der an “American Football” im Wasser erinnerte. Die “Amerikanische Art” des Spiels war äußerst beliebt. In den späten Neunzigern des vorigen Jahrhunderts wurden nationale Meisterschaften an Austragungsorten wie dem Madison Square Garden und der Boston Mechanics Hall ausgetragen uns zogen 14.000 Zuschauer in in ihren Bann.

Das Spiel jener Tage beinhaltete Elemente wie den “springenden Lachs”, bei dem der ballführende Spieler vom Rücken seiner Mannschaftskameraden hoch in die Luft sprang, um einen Treffer zu erzielen. Für die Zuschauer ging die größte Anziehungskraft des Spiels von der ausgeübten Gewalt aus.

Während die Amerikaner immer noch den alten Rugby-Stil favorisierten, wandten sich die Europäer schon vermehrt den “Schottischen Regeln” zu. Deutschland und Österreich entschieden sich 1894 für die zivilisiertere Variante, Frankreich folgte 1895, Ungarn 1889 und Belgien schließlich im Jahr 1900. Um die Jahrhundertwende war Wasserball so populär, dass es als erste Mannschaftssportart ins olympische Programm aufgenommen wurde. Großbritannien sicherte sich in Paris (1900) die erste Goldmedaille vor Belgien und Frankreich.

Ein Kuriosum stellt das Ergebnis der Olympischen Spiele von 1904 in St. Louis dar: Die Amerikaner gewannen die Gold-, Silber- und Bronzemedaillen. Gemäß dem Selbstverständnis der Gastgeber wurden die Wettkämpfe natürlich nach “Amerikanischen Regeln” ausgetragen, doch keine der übrigen Nationen wollte sich den brutalen Regeln und den abscheulichen Austragungsbedingungen unterwerfen. Wie der New York Herald berichtete, infizierten sich mehrere Athleten mit Typhusfieber beim Spiel in einem künstlich angelegten Teich. “Das Wasser war grün und schleimig, ähnlich den Brackwasserpfützen, die man in Sümpfen vorfindet. Nach dem ersten Wettkampftag mussten 7 von 12 Spielern des New York Athletic Clubs das Bett hüten, erkrankt an den Folgen des verseuchten Wassers, in dem sie schwammen.” Die New Yorker Spieler errangen dennoch die Goldmedaille und verwiesen die Chicago Athletic Association und den Missouri Athletic Club auf die Plätze.

Bei den olympischen Spielen in London (1908) wurde dann wieder nach europäischem Standard verfahren, die Medaillengewinner hießen Großbritannien, Belgien und Schweden. Im Jahr 1911 verfügte die FINA Fédération International de Nation Amateur), das olympische Wettkämpfe und internationale Begegnungen nur noch nach “Schottischen Regeln” ausgetragen werden durften.

Die Amerikaner blieben ihren Regeln dennoch bis 1912 treu. Auslöser der Umorientierung war das Halbfinale beim Turnier zur nationalen Meisterschaft, in dessen Verlauf die alten Rivalen vom New York AC und Chicago AA statt eines Wasserballspiels eine Massenschlägerei im Wasser abhielten. Der nationale Schwimmverband stellte daraufhin jede finanzielle Unterstützung ein, bis die Wasserballer schließlich den zivilisierteren Regelstandard übernahmen.

1920 gab es in Antwerpen das ungewöhnlichste Spiel. Italien sollte gegen Schweden spielen, doch den Italienern war das Wasser zu kalt. So trat lediglich der Kapitän gegen die komplette Schweden-Mannschaft an. Beim Stand von 7:0 gab er erschöpft auf.


Heph. (Quellen: Washington Post, USWPS, Wolfgang Richter).